Das kurze Leben der Zofia Malczyk

Am 21. März 2007 wurde in der Gustav-Adolf-Straße in Schweinfurt ein Gedenkstein als Denkzeichen, Mahnung und Erinnerung an Zofia Malczyk,eine junge polnische Zwangsarbeiterin, die am 21.März 1945 in Schweinfurt ermordet wurde, eingeweiht.

Schlüsse aus Vergangenheit ziehen
An die am 21. März 1945 ermordete Zofia Malczyk erinnert künftig ein Gedenkstein, der am 62. Todestag der damals 18-Jährigen Zwangsarbeiterin von Schülern des Bayernkollegs und der polnischen Konsulin Aneta Berdys enthüllt wurde. Dem bewegenden Zeremoniell am Tatort in der Gustav-Adolf-Straße wohnten zirka 250 Menschen bei.

Der frühere Vorsitzende von Care Deutschland, Willi Erl, führte durch die Feierstunde, der zahlreiche Stadträte aller Fraktionen, Vertreter der das Projekt unterstützenden zirka 15 Organisationen und vor allem viele junge Leute beiwohnten. Zofia Malczyk und ihr ungeborenes Kind seien »von nationalistischen Amtsträgern ohne jedes Recht« und – wie es auch auf dem Stein steht – »aus Anmaßung und Verblendung« ermordet worden, sagte Erl. Viele beklemmende Lebensverläufe seien vergessen, dank der im Fall Malczyks aufgedeckten Wahrheit »können wir aber durch Erinnern die Versöhnung einleiten.«

Die Konsulin der polnischen Botschaft, Aneta Berdys nannte Malczyks Schicksal keinen Einzelfall, zumal die Deportationen durch die Nazis ein »großer, planmäßiger Verbrechenskomplex waren«. Junge Frauen und Männer seien wahllos zusammengetrieben und ausgebeutet worden, »vieler Leben hatte keine Bedeutung«. Vergessen sei die einfache Lösung, aber die Weisheit der Menschen beruhe darauf, Schlüsse zu ziehen und die nächste Generation zu belehren. Der Gedenkstein trage dazu bei, dafür danke sie der Initiative gegen das Vergessen namens ihres Landes.

Menschenrechte unverzichtbar
Hauptredner Arnold Köpcke-Duttler (Marktbreit) erinnerte an die Tat der beiden Nazi-Polizisten, die Malczyk zum »Ort der Exekution« gegenüber dem heutigen Leopoldina-Krankenhaus »getrieben hatten«. Zur späteren Amnestierung der Mörder durch das Straffreiheitsgesetz von 1949 meinte der Diplom-Pädagoge und Rechtsanwalt, dass das Gesetz sich nicht eingelassen habe auf die notwendige Diskussion über das Unrecht. Nationalsozialistisches Recht sei kein unrichtiges, »sondern überhaupt kein Recht« gewesen.

In Viehwagen transportiert

Köpcke-Duttler erinnerte, dass die in Viehwagen transportierten Zwangsarbeiter »verwendet« wurden für den Krieg gegen die eigenen Landsleute. Sie seien wie »Untermenschen behandelt« worden. Noch heute beschäme ihn ein Merkblatt mit dem Titel »Überwachung fremdvölkischer Arbeitskräfte zur Begegnung volkspolitischer Gefahren«, das polnische Zwangsarbeiter wie Malczyk zur Kennzeichnung mit einem »P« zwang und jede »Tischgemeinschaft zwischen Deutschen und Polen« verbot. Das Ende des Albtraums, des Hungerns, der Ängste, der unmenschlichen Leiden, Schikanen und Demütigungen hatten Zofia Malczyk und ihr Kind, dem »kein Name gegeben werden konnte«, nicht mehr erleben dürfen wie der bei Kugelfischer zur Arbeit gezwungene Leonardo Calossi. Während dem Italiener die Rettung gelang, hätte es bei Zofia Malczyk nur anders sein können, »wäre ihr ein menschlicherer Mensch begegnet.« Danach rief Köpcke-Duttler »in Scham« zu einer Gedenkminute auf.

Vor der Enthüllung des von Bildhauer Marco Schraud (Thüngersheim) geschaffenen Steins durch Saba Ibrahim, Sebastian Arndt sowie Konsulin Berdys sprachen die Bayernkollegiaten »Gedanken«. An ihrer Stelle hätte zu jener Zeit »jeder von uns sein können«, sagte Ibrahim. Arndt nannte es wichtig, dass junge Leute wie er die nächste Generation »über die Gräuel informieren.« Schicksale wie das Zofia Malczyks dürften nie in Vergessenheit geraten, »das sind wir den Opfern schuldig«. Das Bayernkolleg übernimmt die Patenschaft über den Stein. Eine von der Initiative erstellte 50-seitige Broschüre über »Das kurze Leben der Zofia Malczyk« ist in der Disharmonie für 5 Euro erhältlich. Sie enthält ein Grußwort des Botschafters der Republik Polen, Marek Prawda: »Es ist sehr wichtig, an Geschichte zu erinnern, um aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen«.

Schweinfurter Tagblatt 23. März 2007, Hannes Helferich